„People are not aware about their habits … „ die Menschen sind sich ihrer Angewohnheiten nicht bewusst …“, so leitete die schwedische Aktivistin Greta Thunberg vor wenigen Tagen beim Klimagipfel in Wien ein Interview ein. Ein Schlüsselsatz, nicht nur in Bezug auf den Klimawandel, sondern auch der Hinweis auf die besondere Rolle, die Achtsamkeit für ein nachhaltiges Investieren und Konsumieren haben kann. Doch der Reihe nach.
Das Thema Nachhaltigkeit hat auch die Finanzbranche erreicht. Endlich! Banken, Investmentfonds und Versicherer lenken gewaltige Kapitalbeträge, die nun fokussierter „für eine umweltfreundlichere und sauberere Wirtschaft“ eingesetzt werden sollen. So sieht es der im letzten Jahr von der Europäischen Kommission vorgelegte „Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen“ vor. „Unsere Vorschläge werden Investoren und jeden einzelnen Bürger in die Lage versetzen, eine positive Wahl zu treffen – indem sie ihr Geld mit größerer Verantwortung einsetzen und Nachhaltigkeit unterstützen“, so der Erste Vizepräsident der Kommission, Frans Timmermanns.
So weit so gut. Doch wie Vorschläge oder Vorsätze wirken, das kennt ein jeder von uns selbst zur Genüge. „88% aller Vorsätze scheitern“, hat der britische Psychologe Richard Wiseman schon 2007 aus über 3.000 Befragungen ermittelt. Wir sind eben doch Gewohnheits-Tiere. Nehmen uns viel vor und machen dann das, was wir immer tun, und wie wir es immer getan haben. „… und deshalb können wir nicht erwarten, dass sie aufhören zu fliegen oder Kleidung zu kaufen …“, so fuhr Greta Thunberg im eingangs erwähnten Interview fort. Und das gilt nicht nur für die Konsumenten, sondern auch für Investoren, also all jene, die privat oder beruflich über die Anlage von Finanzmitteln entscheiden.
Finanzentscheidungen beleuchten
Banker, Investment-Manager, Finanzberater – sie allen sollen nun Nachhaltigkeit und damit Kriterien wie ESG, SDG, PRI bei ihren Finanzentscheidungen berücksichtigen. Und somit deutlich anders entscheiden als bisher. Wie ist das zu schaffen, wenn wir schon privat simple Vorsätze wie „weniger Auto fahren“ kaum dauerhaft im Alltag verankert kriegen?
„We believe that when it comes to fostering sustainable behavior, mindfulness can make a difference“. So lautet eine hoffnungsfrohe Botschaft aus der psychologischen Forschung. Elise L. Amel und andere untersuchten am Department of Psychology der University St. Thomas in Minnesota, wie sich unsere durchaus vorhandene ökologische Besorgnis auch nachhaltig in neue, ökologisch vertretbare Verhaltenweisen umsetzen läßt. Und sie stießen dabei auf Achtsamkeit. „Furthermore, when people are mindful they are more likely to seek out choices that do less harm to the natural environment…“. Oh, das klingt schon mal gut. Aber warum ist das so?
„Research has also demonstrated the value of mindfulness in behavior change interventions … Mindful individuals have a stronger link between intentions and behavior than less mindful individuals“, so die Forscher. Und die Begründung dafür ist gar nicht so schwer zu verstehen, zumindest für die, die Achtsamkeit praktizieren. „It helps individuals disengage from automatic thoughts and become more open to behavioral change and freedom to make different choices (Brown&Ryan, 2003), beschreibt Menchi Liu in der American Psychological Association. Also das Aussteigen aus dem routinehaften, automatischen Denken und Verhalten, ist es. Hier liegt der Kern, warum Achtsamkeit für die Veränderung von Denk- und Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Ökologie und Nachhaltigkeit so unbedingt notwendig ist.
Achtsamkeit ist die mentale Fähigkeit, mit einer offenen, mitfühlenden und neugierigen Haltung auf die eigenen gegenwärtigen Erfahrungen zu achten. Und damit auch in der Lage zu sein, aus Gedankengängen, Grübeleien, Emotionen „auszusteigen“, d.h. sich selbst aus einer dritten Person Perspektive zu betrachten. Und nicht nur sich selbst, auch den Gegenüber, die anderen, die Umwelt so wahrzunehmen, wie sie ist und nicht, wie wir sie uns wünschen. Gerade das trägt gravierend zu einer Verbesserung von Entscheidungen bei.
Achtsamkeit verbessert Entscheidungen
Das hat auch schon eine der weltweit führenden Business-Schools, die INSEAD in Fontainebleau, festgestellt. „INSEAD research shows mindfulness meditation linked to better decisions“, so titelte die Presse vor einigen Jahren. Und die Studie zeigt auch auf, warum das so ist. Indem Entscheider eines der weitverbreiteten und ganz großen Probleme bei Finanzentscheidungen besser in den Griff bekommen: den „sunk-cost-bias, die Voreingenommenheit, entgegen jeglicher Logik an einmal getroffenen Entscheidungen festzuhalten und zum Beispiel bei Kurs-Verlusten bei Finanzanlagen deshalb nicht auszusteigen. Gutes Geld dem schlechten hinterherwerfen, so die volkstümliche Interpretation. “The results show that mindfulness meditation increased resistance to the sunk-cost bias …“The debiasing effect of mindfulness meditation in sunk-cost situations was … that meditation reduced how much people focused on the past and future, and this psychological shift led to less negative emotion. The reduced negative emotion then facilitated their ability to let go of sunk costs”.
Der Nachhaltigkeit Platz in Finanzentscheidungen verschaffen
Sich also gewahr sein, dass man gerade in einer Voreingenommenheit gefangen ist, oder sich gerade zu sehr auf die Vergangenheit oder Zukunft fokussiert, hilft, sich aus diesen Gedankenmustern zu lösen und damit die automatischen Routinen zu verlassen. Und so eben anders entscheiden zu können. Christine Wamsler, Professorin an der Lund-Universität in Schweden, kommt in der Studie “How mindfulness can help the shift towards a more sustainable society” zu gleichen Schlussfolgerungen: “…by minimising automatic, habitual, or impulsive reactions and increased cognitive flexibility“. Sie geht dabei noch einen, besser zwei, Schritte weiter und schaut, was das denn für Organisationen und zuletzt gar für die Gesellschaft bedeuted. „Hence, mindfulness can also change organisations from within. In times of climate change sustainable organisations need to nurture and develop their social assets in the anticipation of, and to cope with, unexpected risky events. It does this by influencing people‘s job satisfaction and organisational learning, and by improving their cognitive flexibility and openness to novelty“.
Wie an den Finanzmärkten mindfulness bei Finanzentscheidungen wirkt, beleuchtet Professor Ernest Ng von der University of Hongkong. „Instead of allowing automatic emotional responses such as fear and greed … to dominate … one could allow for more controlled or higher-level responses … to guide their decision-making-process“. Und fährt fort: „With the publication of the ‚Meditation Guide for Investment Professionals‘ by the CFA Institute … contemplative practices are now considered acceptable and even recommended in the financial market“. Ich hatte darauf schon in meinem Geld-BLOG vom Mai 2017 hingewiesen.
Achtsamkeit trägt also bei, herkömmliche Denk- und Verhaltensweisen zu überwinden und so gerade bei Finanzentscheidungen Raum für ökologische Nachhaltigkeit zu schaffen. Dan Nixon, Senior Researcher und früherer Ökonom der Bank of England, kommt in einer umfangreichen Analyse „Towards an economy built upon human capacities of heart and mind“ zum Schluss „… mindfulness seems to offer a particularly fitting response to the fundamental disruptions that economies are facing in the coming decades surrounding the nature and pace of technological change and the state of environmental degradation“.
Im Mindful Finance Institute in Oxford engagieren sich meine Kollegen und ich, diese Grundgedanken in die Finanzwirtschaft zu tragen. Dazu gehört auch ein neu geschaffener Studiengang “Mindful Finance Leadership”, in dem der Entscheidungsfindung, Nachhaltigkeit und Verantwortung breiten Raum gegeben wird.
Damit wünsche ich Ihnen eine gute Zeit und einen achtsamen Umgang mit sich und der Umwelt.
Ihr
Friedhelm Boschert
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